Volle Auftragsbücher und doch Probleme

Handwerk hat goldenen Boden, in den letzten Jahren können sich besonders Betriebe der Baubranche kaum vor Aufträgen retten – ABER ….

„Frau Reeves, ich arbeite doch so viel und lebe so sparsam, wieso komme ich auf keinen grünen Zweig?“ Das bekommt die Wirtschaftsseniorin Doris Reeves oft bei Beratungsgesprächen als erstes zu hören. Wenn die ehemalige Finanzcontrollerin gerufen wird, ist es meistens fünf vor zwölf für das Handwerksunternehmen. Was sie vorfindet, ist zuerst einmal eine bedenkliche Verwaltung, Büroarbeit ist nicht die Kernkompetenz von Handwerkern. Fehlt dann noch ein Familienmitglied mit kaufmännischer Ausbildung, ist es schwer, die Administration in den Griff zu bekommen. Und in Zeiten der Vollbeschäftigung ziehen erfahrene Bürokaufleute oder Buchhalter, Großunternehmen als sichere und finanzstarke Arbeitgeber vor.

„Oft muss ich erst einmal ein bisschen Ordnung schaffen, damit ich die Hauptprobleme benennen und Lösungen finden kann“ berichtet Frau Reeves aus ihrem Beratungsalltag. „Da wird wichtige Post nicht geöffnet, Versäumnisurteile und der Besuch vom Gerichtsvollzieher sind die Folge. Rechnungen an Kunden werden nicht zeitnah geschrieben oder ganz vergessen, keine Rechnung = kein Zahlungseingang. Steuern und Beiträge werden nicht termingerecht abgeführt, Kontenpfändungen verschlimmern die Situation.“

Die Beispiele können leider endlos fortgeführt werden, es dauert oft Wochen und Monate, bis die Administration in Ordnung gebracht wurde und der Chef oder die Chefs einen Überblick über die Finanzen bekommen haben. „Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen vom Steuerberater ruhen meistens im verschlossenen Umschlag, wer will sich schon nach einem harten Arbeitstag auf dem Bau mit unverständlichen Zahlen herumschlagen“, berichtet Frau Reeves. „Ich grabe dann meine Erfahrung als Ausbildungsleiterin aus und versuche, in einem Grundkurs -wie lese ich meine BWA und Bilanz- die Wichtigkeit von Finanzauswertungen zu vermitteln. Irgendwann kommt der AHA-Effekt und damit die Erkenntnis, dass allein fleißige Arbeit auf der Baustelle die Kasse bzw. das Bankkonto nicht füllt.“

Damit wird die zweite Sanierungsphase eingeleitet, das Unternehmen muss für die Zukunft administrativ gerüstet sein. Der Chef ist zur Einsicht gelangt, dass er nicht nur der beste Arbeiter, sondern vor allen Dingen der Manager seines Unternehmens sein muss. Idealerweise wurde eine Bürokraft gefunden, die neu aufgebaute Struktur kann ordentlich weitergeführt werden, die Finanzen sind im positiven Bereich und „Cashflow-Planung“ wird nicht als neueste Netflix-Serie missverstanden, sondern als wichtiges Werkzeug der Unternehmensführung gepflegt.

Frau Reeves kommt dann nur noch selten zur „Nachberatung“ und arbeitet bereits an neuen „Pflegefällen“. Sie ist glücklich, ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben zu können und notleidenden Betrieben zu helfen. Manchmal würde sie sich wünschen, dass ihre Hilfe ein bisschen früher in Anspruch genommen würde, das könnte ihren Mandanten viele Kosten und schlaflose Nächte ersparen.