Unternehmensbewertung – ein Gastbeitrag von Dipl.-Kfm. Torben Viehl

Dipl.-Kfm. Torben Viehl

Dipl.-Kfm. Torben Viehl

„Wie viel ist mein Betrieb eigentlich wert?“: Diese Frage stellt sich vielen Unternehmern spätestens vor der Unternehmensübergabe. Der Unternehmenswert spielt allerdings nicht nur beim Verkauf eine Rolle, sondern auch bei der Aufnahme neuer Gesellschafter, bei Erbschaftsfällen, bei der Trennung von Gesellschaftern, beim Kauf eines Unternehmens, bei Scheidungen usw..

Viele Betriebsinhaber haben dabei lediglich eine vage Vorstellung vom Wert des eigenen Unternehmens. Diese Vorstellungen weichen zudem meist von den tatsächlich erzielbaren Preisen im Falle eines Verkaufs ab. Aus diesem Grunde ist es wichtig, den Unternehmens-wert objektiv und nach anerkannten Regeln zu ermitteln, um eine faire Basis für beide Parteien in den Verhandlungen zu schaffen.

In der Praxis unterscheidet man verschiedene Wertdefinitionen eines Unternehmens:

  • Der Ertragswert
    Die Ermittlung des Ertragswerts ergibt sich durch die Projektion der bereinigten Vergangenheitsergebnisse in die Zukunft und durch die Kapitalisierung der zukünftig zu erzielenden Überschüsse.
  • Der Substanzwert
    Bei der Substanzwertermittlung werden das Anlage- und das Umlaufvermögen mit ihren Wiederbeschaffungspreisen bewertet.
  • Der Firmenwert
    Ein Firmenwert ergibt sich als Differenz zwischen Ertragswert und Substanzwert und drückt den Wert eines Unternehmens ohne das mit ihm verbundene Vermögen aus.
  • Der Liquidationswert
    Der Liquidationswert ergibt sich bei Beendigung oder Abwicklung eines Unternehmens als Überschuss der erwarteten Verkaufserlöse der Vermögensgegenstände des Unternehmens über die Verbindlichkeiten und Liquidationskosten.
  • Der Marktwert
    Der Marktwert des Unternehmens ergibt sich aus Angebot und Nachfrage, kann also nicht im Voraus errechnet werden.

In der Betriebswirtschaft und der aktuellen Rechtsprechung wird der Wert eines Unternehmens fast ausschließlich durch den Ertragswert bestimmt. Jedoch kann man die einzelnen Bewertungsschritte in diesem Verfahren sehr unterschiedlich angehen. Bisher wurde von den meisten Bewertern (z. B. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) unabhängig von der Betriebsart und -größe das aus der Industrie stammende Verfahren des IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) verwendet. Für die beispielweise im Handwerk typischen Klein- und Mittelbetriebe gelten jedoch einige Besonderheiten, wie z. B. die starke Beeinflussung der Ertragslage durch die Inhaberpersönlichkeit, die finanzielle Gestaltungsoptionen durch Haftungsverflechtung von Privat- und Betriebsvermögen, die mangelnde betriebswirtschaftliche Planungsmethoden oder das begrenzte Budget für den Bewertungsaufwand. Diesen Besonderheiten trägt der von den Unternehmensberatern der Handwerksorganisationen erarbeitete AWH-Standard Rechnung. Er stellt somit eine entsprechende Modifikation des IDW-Standards dar. Mit Hilfe dieses bundesweit standardisierten Bewertungsverfahrens wird auf Basis des Ertragswertverfahrens ein realistischer Wert für Handwerksunternehmen errechnet, der eine geeignete und faire Basis für Verkaufsverhandlungen etc. bietet.

Als Grundlage der Unternehmensbewertung nach dem AWH Standard werden zunächst die Betriebsergebnisse der letzten vier Vergangenheitsjahre sowie des laufenden Geschäftsjahres herangezogen. Hierbei werden die Gewinne vor Steuern, aufgrund unterschiedlicher individueller steuerlicher Rahmenbedingungen, gewählt. Im ersten Schritt wird das Betriebsergebnis der Vergangenheit um außergewöhnliche und einmalige Aufwendungen und Erträge korrigiert. Dazu zählen u.a. das kalkulatorische Geschäftsführergehalt des Inhabers oder das kalkulatorische Gehalt von mithelfenden Familienangehörigen. Zu den einmaligen Aufwands- und Ertragsposten gehören auch Sonderabschreibungen oder Versicherungsentschädigungen, also Positionen, die nicht dem unmittelbaren Geschäft zuzurechnen sind. Ausgehend von den Ergebnissen der Vergangenheit soll eine Erfolgsprognose für die nächsten Jahre ermittelt werden. Die Werte des letzten Geschäftsjahres haben dabei die höchste Prognosegüte. Deshalb werden durch Gewichtungsfaktoren die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres stärker bewertet als die weiter zurückliegenden Jahre. Mit der Berechnung der gewichteten Durchschnittswerte erhält man damit einen Ausgangswert für eine Erfolgsprognose.

Im zweiten Schritt wird der künftig zu erwartende Gewinn mit dem Kapitalisierungszinssatz abgezinst. Der Kapitalisierungszinssatz legt jene Verzinsung fest, die der Kapitalgeber unter Beachtung alternativer Kapitalanlagen mit vergleichbarem Risiko vom Bewertungsobjekt erwartet. Diese Zinsen stellen die Mindestverzinsung dar, die das Unternehmen erwirtschaften muss. Dabei ist die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes von großer Bedeutung. Dieser besteht in der Regel zumeist aus zwei Komponenten, einem Basiszinssatz, der die Verzinsung einer alternativen Kapitalanlage z. B. in sicheren Staatsanleihen darstellt, und einem Risikoaufschlag für das interne und externe unternehmerische Risiko.

Der Unternehmenswert errechnet sich nun, indem der nachhaltige Ertrag durch den Kapitalisierungszinssatz zu teilen ist.

Dieser ermittelte Unternehmenswert beinhaltet als "Asset Deal" alle Grundlagen des Unternehmens als intakte Einkommensquelle zum Zeitpunkt der Bewertung. Dies sind insbesondere das Anlagevermögen (ohne Grundstücke und Gebäude) sowie der betriebsnotwendige Material- und Warenbestand.

Bei Übernahme von zusätzlichen Werten (z.B. Forderungen, teilfertigen Leistungen) und Verbindlichkeiten ist der ermittelte Betrag um die betreffenden Werte zu berichtigen.

Ist der ermittelte Ertragswert niedriger als der Substanzwert, d.h. der Zeitwert der vorhandenen Vermögensgegenstände im Unternehmen (Anlagevermögen ohne Grundstücke und Gebäude sowie der Material- und Warenbestand), kann der Wert des Unternehmens durch den Substanzwert dargestellt werden, wenn das Unternehmen fortgeführt und die Substanz weiterhin betrieblich genutzt werden soll.

Für eine Bewertung der GmbH-Anteile ("Share Deal") müssen zusätzlichen Werte (z.B. Forderungen, teilfertige Leistungen, Verbindlichkeiten usw.) berücksichtigt werden. Damit ergibt sich letztlich der aktuelle Wert des Eigenkapitals (gesamtes Vermögen minus gesamte Verbindlichkeiten) zum Bewertungszeitpunkt.

Dipl.-Kfm. Torben Viehl
Handwerkskammer zu Köln