Die Reform der Leiharbeit – Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Bereits im Koalitionsvertrag (Dezember 2013) wurde als Ziel vereinbart, die „Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern“. Im November 2015 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vorgelegt. Am 21.10.2016 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf in der vom zuständigen Ausschuss empfohlenen leicht geänderten Fassung verabschiedet.
Das Gesetz ist zum 01.04.2017 in Kraft getreten und enthält zusammengefasst folgende Regelungen:

Höchstüberlassungsdauer:
Der Einsatz eines Leiharbeitnehmers bei einem Entleiher ist nunmehr grundsätzlich auf 18 Monaten beschränkt. Verkürzungen oder Verlängerungen können in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder aufgrund eines solchen Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden. Ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer führt dazu, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzunternehmen zustande kommt.
Das gilt nur dann nicht, wenn der Leiharbeitnehmer dem widerspricht. Die Anforderungen an einen wirksamen Widerspruch hat der Gesetzgeber zuletzt nochmals erhöht. Insbesondere muss der Widerspruch der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt werden.

Gleiche Bezahlung (Equal Pay):
Bei Geltung des „alten“ Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes konnte der Arbeitgeber durch Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf einen Zeitarbeitstarifvertrag von den im Einsatzbetrieb geltenden Bedingungen (insbes. Vergütung) abweichen. Bei Anwendung des „neuen“ Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind Leiharbeitnehmer spätestens nach neun Monaten wie Stammmitarbeiter zu bezahlen. Ein (Branchenzuschlags)Tarifvertrag kann diese Zeitspanne auf 15 Monate ausdehnen, wenn er regelt, dass die Vergütung des Leiharbeitnehmers schrittweise auf das Vergütungsniveau der Stammarbeitnehmer angehoben wird.

Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung:
Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht vor, dass sowohl in der Vereinbarung zwischen Entleiher und Verleiher als auch gegenüber dem Leiharbeitnehmer ausdrücklich von Arbeitnehmerüberlassung gesprochen werden muss. Wird dagegen verstoßen, führt dies zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages des Leiharbeitnehmers und zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Dies gilt nicht, wenn der Leiharbeitnehmer dem rechtzeitig nach Vorstellung bei einer Agentur für Arbeit widerspricht. Außerdem kann bei einem Verstoß dem Verleiher die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis entzogen und gegen Verleiher und Entleiher ein Ordnungsgeld verhängt werden.

Verbot der Kettenüberlassung:
Nach Inkrafttreten des Gesetzes darf nur der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers diesen an einen Entleiher überlassen, es dürfen keine Verleiher zwischengeschaltet werden. Ein Verstoß hiergegen stellt für Zwischenverleiher und Entleiher eine Ordnungswidrigkeit dar. Zudem kommt – auch in diesem Fall - ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzunternehmen zustande, wenn der Zwischenverleiher gegen eine der Verpflichtungen aus § 1 Abs. 1 S. 1 verstößt. Das ist der Fall, wenn der Zwischenverleiher keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat, die Arbeitnehmerüberlassung nicht als solche bezeichnet und/oder die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wird oder die Höchstüberlassungsdauer überschritten wird (§ 1 Abs. 1b) und der Arbeitnehmer nicht widerspricht (s.o.).

Schwellenwerte im Mitbestimmungsrecht:
Klargestellt wurde, dass Leiharbeitnehmer auch bei den für die Mitbestimmung geltenden Schwellenwerten im Einsatzbetrieb zu berücksichtigen sind, soweit dies nicht der Zielsetzung der Norm widerspricht.

Streikbrecher:
Entleihunternehmen dürfen Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher einsetzen, wenn ihr Betrieb unmittelbar vom Arbeitskampf betroffen ist. Eine Ausnahme gilt, wenn der Entleiher sicherstellen kann, dass der Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt wird, er z.B. in einem nicht betroffenen Bereich arbeitet. Bei Verstößen beträgt das Bußgeld bis 500.000 Euro.

Regelung im Betriebsverfassungsgesetz:
In § 80 und § 92 BetrVG ist eine Klarstellung des Informationsanspruchs des Betriebsrates auch über den Einsatz von Personen erfolgt, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber des Einsatzbetriebes stehen.

Definition des Arbeitnehmers:
§ 611 a BGB enthält nunmehr eine Definition des Arbeitnehmerbegriffs. Hierdurch sollen missbräuchliche Gestaltungsformen des Fremdpersonaleinsatzes durch vermeintlich selbständige Tätigkeiten verhindert werden. Tatsächlich enthält die Definition lediglich die Leitsätze der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ändert in der Sache also nichts.

Fazit:
Spätestens nach 15 Monaten gilt der Equal-Pay Grundsatz, was längere Überlassungen uninteressant machen dürfte. Außerdem „löst“ das Gesetz die bislang heftig umstrittene Frage, wann Arbeitnehmerüberlassung noch „vorübergehend“ ist: nach spätestens 18 Monaten ist mit dem Einsatz eines bestimmten Leiharbeitnehmers (erst einmal) Schluss.
Für Werkunternehmer und deren Auftraggeber gilt: liegt nach der tatsächlichen Handhabung Arbeitnehmerüberlassung vor kann nicht mehr für den Notfall eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorgehalten und so das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher verhindert werden.

Barbara Köckemann
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht